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Hölderlin in Nürtingen

In Ergänzung des Sommertheaters "O Stimme der Stadt, der Mutter"
mit dem Theater Lindenhof Melchingen

Am Samstag, 20. und Sonntag, 21. Juli, jeweils 17.00 Uhr in der Kreuzkirche

"Linien des Lebens"
Gesänge nach Texten Friedrich Hölderlins
B. Britten, H. Eisler, W. Fortner, G. Klebe, H.-W. Henze, u.a.

Ein VOCCORD-Konzert
Mit Susann Finckh-Bucher, Gesang
Markus Stange, Klavier
Wolfgang Daiß, Gitarren
  

 

Aus der Nürtinger Zeitung vom 23. Juli 2002:
 
Tonbilder wie von in Scherben gegangenen Gefühlen

Susann Finckh-Bucher interpretierte Gesänge nach Texten von Friedrich Hölderlin - Zwei Konzerte in der Kreuzkirche Die Musik betonte die Tragik des großen Dichters

Die Schriften von Friedrich Hölderlin sind, wie alle große Kunst, vielfältig interpretier- und verwendbar. Für die Stadt Nürtingen, die er stets als sein "Vaterland" betrachtete, hatte Hölderlin immer eine besondere Qualität. Das Nürtinger Publikum fürchtet sich nicht einmal vor moderner Musik, wenn es von Hölderlin an der Hand genommen wird. Das zeigte der recht gute Besuch der am Samstag und Sonntag in der Kreuzkirche veranstalteten Konzerte mit Gesängen nach Texten des Dichters.

Über weite Strecken war es eine anspruchsvolle, raue und schwere Kost, dargeboten von Susann Finckh-Bucher (Gesang), Markus Stange (Klavier) und Wolfgang Daiß (Konzert- und Tapping-Gitarre). Die Namen der Komponisten sprechen für sich. An Texte von Hölderlin wagten sich Britten, Eisler, Klebe, Henze, Rihm, Killmayer, Nenning und Florey. Der Komponist Wolfgang Nenning war zur Uraufführung seiner fünf Lieder sogar eigens aus Wien angereist. Der 1966 geborene Komponist hat fünf Hölderlinfragmente für Mezzosopran und Gitarre vertont.

Erst die Komponisten moderner Musik haben sich an die Hölderlin'schen Texte gewagt. Der Grund dafür ist leicht einsichtig. Die großen Melodiker der Klassik und Romantik dürften Hölderlin nicht gekannt haben. Der bedeutende Dichter war zu ihrer Zeit eine noch weithin unbekannte Größe. Ein weiterer Grund dürften Hölderlins hochlyrische Gedichte, gleichsam Musik im eigenen Recht, gewesen sein. Hölderlin setzte nicht ein Wort an das andere, ließ nicht eine Zeile auf die vorausgegangene folgen, bei ihm beginnen in einer geheimnisvollen Transformation die Worte selbst zu sprechen und Klang anzunehmen. Wo aber die Sprache schon Gesang ist, lässt sich mit den Mitteln der Musik schwerlich eine Steigerung finden, ohne die Sprachmelodie zu beeinträchtigen.

Die modernen Komponisten fanden einen Ausweg. Sie geben der Tragik im Leben Hölderlins Raum. Ihre Musik ist, wie die Konzerte in der Kreuzkirche demonstrierten, herb und über Strecken von asketischer Kargheit, es ist ein gebrochener Klang, voller Stocken, Zögern und Zaudern, Melismen von zitternder Kühle wechseln mit Tonbildern, die an in Scherben gegangene Gefühle erinnern. Grundsätzlich wird der weit geschwungene Melodienbogen verweigert, einzelne Töne fallen in den Raum wie schwere Tropfen aus großer Höhe. Der Rückgriff auf den Kanon des Kunstliedes, wie es als Letztem noch Richard Strauss gelang, hat ein Ende gefunden.

Susann Finckh-Bucher ließ sich von den Eigenheiten der Stimmführung der moderner Komponisten, ihrer betonten Abkehr von allen Traditionen, nicht in Aufregung versetzen. Sie stellte sich ihnen unangestrengt, souverän und sogar mit einem erstaunlichen Grad von Gelassenheit, ohne deshalb dem zärtlich-leidvollen Auskosten bestimmter Passagen verlustig zu gehen. All dies dürfte für die meisten Zuhörer nicht unbekannt gewesen sein, ganz neu war jedoch die dramatische Intensität, mit der sie zwischen den einzelnen Liedern Texte von Ernst Zimmer deklamierte, des Tübinger Tischlers, der nach dem Ausbruch von Hölderlins Gemütskrankheit den Dichter betreute. Ihr Vortrag war nicht nur einfühlsam und wirkungsvoll, er erinnerte auch daran, welch eine dramatische Spannung in einer kleinen Pause liegen kann. Die Stellen aus den Zimmer'schen Briefen an Hölderlins Mutter oder den "Herrn Oberamtspfleger" wurden von Wolfgang Daiß begleitet, der mit seinen verschiedenen Gitarren ganz exquisite Wirkungen erzielte...

Günter Schmitt  


 

Foto: itt  



„Linien des Lebens“ – ein Hölderlinabend

Mit einem speziellen Hölderlin-Programm gestalten die Nürtinger Sängerin Susann Finckh-Bucher, ihr ständiger Gitarrenpartner Wolfgang Daiß und der Stuttgarter Pianist Markus Stange am Donnerstag, 14. Oktober, 19. 30 Uhr in der Kreuzkirche den Kultur-abend innerhalb der Veranstaltungsreihe zum 10-jährigen Bestehen des Arbeitskreises Psychiatrie und Öffentlichkeit.

Hölderlins spätes Gedicht „Linien des Lebens“ ergibt den Titel des Abends und führt mitten hinein in Hölderlins schwierige zweite Lebenshälfte. Texte aus dieser Zeit im Tübinger Turm reizen mit ihrer Rätselhaftigkeit moderne Komponisten, kongeniale musikalische Ausdrucksmittel zu finden. So erklingen bei dem Konzert Gesänge von Wolfgang Fortner, Giselher Klebe, Wilhelm Killmayer und Benjamin Britten. Als besondere Funde aus dem Hölderlinarchiv der Württembergischen Landesbibliothek werden „Fünf Hölderlinfragmente für Stimme und Gitarre“ von Wolfgang Nening und der „Scardanelli-Zyklus“ für Stimme und Klavier von Hans Florey vorgestellt. Schließlich nehmen sich Susann Finckh-Bucher und Wolfgang Daiß die Nürtinger Pflegschaftsakte Hölderlin vor, die bekanntlich den faszinierenden Mittelpunkt der literarischen Ausstellung im Stadtmuseum bildet. Sie haben Briefe des Schreinermeisters Ernst Zimmer ausgewählt um in ihrer eigenen „Voccord“- Version den Zuhörern das Befinden Hölderlins und sein alltägliches Leben auf spannende Weise näher zu bringen. Insgesamt werden die Besucher an diesem Abend eine facettenreiche Verbindung von Text und aktueller Musik erleben.

Aus der Nürtinger Zeitung vom 16.10.2004:



Beeindruckende moderne Hölderlin-Lieder in der Kreuzkirche

Als eine musikalische Huldigung an den Dichter Friedrich Hölderlin erwies sich der Kulturabend des Nürtinger Arbeitskreises Psychiatrie und Öffentlichkeit am vergangenen Donnerstag in der Nürtinger Kreuzkirche. Die Sängerin Susann Finckh-Bucher, teils begleitet vom Stuttgarter Pianisten Markus Stange, teils von ihrem Voccord-Partner Wolfgang Daiß auf Konzert- und Tapping-Gitarre, bot dem Publikum ein facettenreiches Programm mit modernen Kompositionen auf Gedichte Hölderlins. Expressive Tonballungen, zwölftöniges Motivgeflecht und immer wieder berückend schöne Lyrismen - das verschaffte den interessierten Zuhörern ein besonderes Hörerlebnis und einen neuen Zugang zu Hölderlins Lyrik. Die Gesänge von Fortner, Klebe Killmayer, Britten, Nening, Florey und Eisler wurden auf originelle Weise kontrastiert durch die musikgestützte Rezitation von Briefen des Schreinermeisters Ernst Zimmer aus der Nürtinger Pflegeakte Hölderlins.ef/Foto: Holzwarth